Der Esport hat sich mittlerweile zu einem globalen Phänomen entwickelt. Viele Länder fördern die Thematik in vielerlei Hinsicht und haben bereits stabile und funktionierende Strukturen aufgebaut. Auch Deutschland erkannte, laut einer Formulierung aus dem 2018 verabschiedeten Koalitionsvertrag, die wachsende Bedeutung der Esport-Landschaft an. Hier heißt es:
„Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.“ (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2018)
Auch die neue Ampel-Koalition will den Esport in Deutschland zukünftig fördern. Doch was wurde tatsächlich in den vergangenen drei Jahren bewegt, um dieses Ziel zu erreichen? Wie wird der Esport in der deutschen Gesellschaft akzeptiert und wie viele Esport-Enthusiasten gibt es eigentlich? Welche Möglichkeiten der Weiterbildung und Entwicklung im Bereich Esport gibt es in Deutschland? Dies und vieles mehr klären wir in den folgenden Absätzen.
Knapp 2/3 der Deutschen kennen Esport
In einer Marktanalyse der FH Westküste und Nielsen Sports, welche seit 2017 jährlich durchgeführt wird, wurde das Verständnis von Esport in Deutschland genauer unter die Lupe genommen. Dabei wurde beispielsweise erfragt, was die Menschen mit dem Wort Esport assoziieren und was sie für ein Verständnis von der Thematik haben. Insgesamt wurden 1000 Menschen im Alter von 14 – 75 Jahren befragt, die repräsentativ für die Altersgruppe stehen.
26% der Befragten gaben an, dass sie wissen, was Esport ist. 43% behaupteten, dass sie wenigstens ein ungefähres Verständnis haben und lediglich 31% konnten nicht wirklich etwas mit dem Begriff anfangen. Insgesamt ergibt dies eine Zwei-Drittel-Mehrheit mit Verständnis und ein Drittel ohne Verständnis.
Eine Statistik von Marktanalyst Deloitte aus dem Jahre 2021, die den europäischen Esport-Markt unter die Lupe nahm, zeigt mit einer “Awareness“ von 57% eine ähnliche Richtung. Im europäischen Gesamtvergleich liegt Deutschland hier nur knapp hinter den skandinavischen Ländern, Spanien und Polen.
In puncto Interesse ergab sich in der Nielsen-Analyse ungefähr eine 50-50 Spaltung. Die eine Hälfte gab an, sich wenigstens ein wenig für Esport zu interessieren, während die andere Hälfte gar kein Interesse zeigt. Laut einer Datenerfassung des ESBD aus dem Jahre 2018 gab es in Deutschland vor drei Jahren ungefähr drei Millionen Esport-Enthusiasten. Bis heute ist der Wert jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit schon in Richtung vier Millionen unterwegs oder sogar darüber hinaus. Die Gruppe macht ungefähr 5% der deutschen Gesamtbevölkerung aus.
Im Vergleich zu Esport-Vorreitern wie China oder Südkorea haben wir jedoch noch einiges aufzuholen, denn hier liegt der Anteil der Esport-Enthusiasten bei 10% und mehr. Auch in der Türkei, wo ungefähr genauso viele Menschen wie in Deutschland leben, gibt es mehr als doppelt so viele Esport-Enthusiasten.
Der größte Markt in Europa
Der Esport-Markt erfährt seit mehreren Jahren auf der ganzen Welt ein kontinuierliches Wachstum und profitiert vor allem von einer Ausweitung der Zielgruppe sowie dem Einstieg vieler non-endemischer Partner. Im Jahre 2021 konnte man die Rekordmarke von einer Milliarde US-Dollar Marktumsatz brechen. Den Großteil machten dabei Sponsoring- sowie Werbedeals und der Verkauf von Medienrechten aus. Bis 2024 wird sogar ein Anstieg auf mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar prognostiziert.
In Deutschland kämpfen die führenden Player seit einiger Zeit darum, den Esport in ein allgegenwärtiges Mainstream-Produkt zu verwandeln. Betrachtet man die Umsatzzahlen, so kann man schlussfolgern, dass Deutschland hier eine sensationelle Entwicklung hingelegt hat und heute zu den wichtigsten Märkten weltweit zählt.
Laut einer Esport-Studie der Organisation PwC erreichte man in Deutschland im Jahr 2021 einen Umsatz von 113,2 Millionen Euro. Bis 2024 wird das Marktwachstum auf mehr als 150 Millionen Euro prognostiziert. Der jährliche Anstieg liegt bei mehr als 20%. In Westeuropa macht Deutschland damit ungefähr 50% des Gesamtumsatzes aus. Deutschland ist zudem der größte Esport-Markt in Europa und behauptet sich gegen Verfolger wie Frankreich oder Spanien.
Im globalen Ranking liegt Deutschland auf einem sehr starken vierten Platz. Nur die drei führenden Nationen China, USA und Südkorea liegen noch davor. Dabei ist China mit mehr als 400 Millionen US-Dollar führend, gefolgt von den Vereinigten Staaten mit circa 380 Millionen und Südkorea mit knapp 230 Millionen Dollar Umsatz. Auf Platz Fünf liegt Großbritannien mit circa 50 Millionen im Jahr 2021.
Mehr als 1000 Esport-Profis in Deutschland?
Gaming und Esport ist mittlerweile vollkommen in der deutschen Gesellschaft angekommen und gehört zu den Trends des 21. Jahrhunderts. Dies liegt vor allem an den über die vielen Jahre aufgebauten Strukturen. Laut ESBD (eSport-Bund Deutschland) entwickelte sich der Esport-Trend zunächst ausschließlich über Online-Strukturen. Dabei geht man laut einer Schätzung aus dem Jahr 2018 von 40.000 bis 150.000 losen Organisationen aus, sogenannten Clans oder Teams, die primär online agieren.
Auch Vereins-, Verbands- und Organisationsstrukturen zur Förderung des Esports wurden mit der Entwicklung der Branche immer essenzieller. So sind in den vergangenen Jahren vor allem Sportclubs aus Fußball, Basketball oder Handball mit ihrer eigenen Esport-Abteilung eingestiegen. Prominente Beispiele hierfür sind unter anderem Schalke 04, Eintracht Frankfurt, Ratiopharm Ulm oder die Rhein-Neckar Löwen.
Neben dem wachsenden Breitensport gibt es in Deutschland zu einer gewissen Menge auch Spieler, die vom Zocken leben können, die sogenannten Leistungssportler. „Expert/innen schätzen hier eine mittlere dreistellige Anzahl an eSport-Profis, die mit ihrer Tätigkeit zumindest einen relevanten Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten können“ (Zitat ESBD 2018). In den vergangen drei Jahren sind mehr und mehr Spieler dazu gekommen und Deutschland hat mit großer Wahrscheinlichkeit bereits die 1000er-Marke erreicht. Nur in den Vereinigten Staaten gibt es mehr.
Die beliebtesten Esport-Games in Deutschland
Bei den Esport-Disziplinen stechen dabei vor allem League of Legends, FIFA und Counter-Strike: Global Offensive in Deutschland heraus. In CS:GO beispielsweise, spielt Berlin International Gaming (kurz BIG) ein starkes 2021 und hat es Anfang des Jahres sogar auf Weltranglistenplatz 4 geschafft. Für den ganz großen internationalen Triumph hat es jedoch noch nicht gereicht. Vor allem die Osteuropäer von Gambit und Natus Vincere dominierten das Geschehen und sicherten sich einen Großteil der Turniersiege.
Die deutsche LoL-Szene produziert am laufenden Band neue Top-Spieler und ist wahrlich eine außerordentlich gute Talentschmiede. Reeker, WhiteKnight, Carzzy oder Gillius sind dabei nur einige Stars, die es in den vergangenen Jahren aus den deutschen Ligen auf europäisches Top-Niveau geschafft haben. Vor dem Abgang von Schalke 04 waren mit Schalke und SK Gaming zudem gleich zwei deutsche Organisationen im europäischen Spitzenhaus, der LEC, vertreten. Der deutsche Coach Fabian “GrabbZ“ Lohmann führte G2 Esports zweimal hintereinander in die Top 4 der World Championship. Dennoch fehlte bis heute immer noch ein kleines Stückchen, um mit Top-Vertretern aus Südkorea und China mithalten zu können.
Als Land des Fußballs hat Deutschland seine Stärken vor allem im digitalen Fußball. Fast jeder Bundesliga-Verein hat deshalb heute seine eigene eFootball-Abteilung. FIFA-Profi MoAuba konnte den letzten FIFA eWorldCup im Jahre 2019 auf der PS4 gewinnen. Zwei Jahre zuvor gewann Bayer Leverkusens Deto das Turnier auf der PlayStation. In FIFA gehören wir deshalb definitiv zu den Besten der Besten.
In anderen Spielen, wie zum Beispiel Dota 2, ist keine deutsche Organisation international relevant und nur wenige deutsche Spieler schafften es bis jetzt ganz nach oben. In der weltweiten Top-50 der bestverdienenden Dota-Spieler ist einzig und allein Kuro “KuroKy“ Takhasomi vertreten. Den Rocket League Auto-Fußball dominieren währenddessen vor allem die Nordamerikaner.
Breitgefächerte Turnier- und Ligastrukturen
Damit alle Wettkämpfe und Turniere ohne Komplikationen vonstattengehen können, spielen die Akteure im Hintergrund eine große Rolle. In Deutschland sind zu großen Teilen das Organisations- und Produktionsunternehmen der ESL und die Marketing-Agentur Freaks 4U Gaming verantwortlich. Teilweise agieren mit Riot Games in League of Legends oder Electronic Arts mit FIFA auch einige Publisher selbst als Veranstalter. Riot ist beispielsweise mit einem Büro in der Landeshauptstadt Berlin angesiedelt und produziert von dort regelmäßig Live-Übertragungen der League of Legends European Championship (LEC).
Die ESL entstand im Jahr 2000 aus einer Vision von Menschen, die in der Faszination Gaming und Esport bereits früh großes Potenzial sahen. Heute ist das in Deutschland gegründete Unternehmen mehr als 20 Jahre alt und verfügt weltweit bereits über 18 Büros auf vier verschiedenen Kontinenten. Die ESL stellt regelmäßig Formate wie die Intel Extreme Masters, ESL One oder die ESL Pro League auf die Beine und gehört damit zu den größten Eventorganisatoren in der Esport-Branche. Mit Dreamhack oder BLAST können nur wenige Kontrahenten ansatzweise mithalten.
Freaks 4U Gaming spezialisiert sich ebenfalls auf die Produktion interessanter Event- und Contentformate und bietet zudem eine Fülle an Marketing-, Social Media- und Influencer-Angeboten. Unter anderem wirkt das Team an den Esport-Projekten 99Damage Liga und Prime League mit und fördert auf diesem Weg vor allem den Bereich Breitensport, aber auch semi-professionelle und professionelle Spieler.
Die Talente von Morgen fördern
Sport ist in den meisten Ländern der Welt fester Bestandteil der Kultur und wird gemeinschaftlich akzeptiert sowie entwickelt und gefördert. Dies geschieht beispielsweise durch Sportförderungsprogramme, Veranstaltungen oder den Ausbau von Infrastrukturen. Auch in der Esport-Landschaft gibt es zunehmend Menschen, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
Die deutsche Politik hat es, trotz Versprechung im Koalitionsvertrag 2018, mit dem Esport bis heute allerdings versäumt. Aufgrund fehlender Fördergelder für Esport-Vereine, sind viele zu großen Teilen von Sponsorengeldern abhängig und halten sich so über Wasser. Umso wichtiger ist es, dass andere Player im Markt das Zepter in die Hand nehmen und den Kindern und Jugendlichen zeigen, wie sie ihre Gaming-Leidenschaft zum Beruf machen können.
Einen großen Anteil daran hat in Deutschland die Anfang 2020 gegründete Stiftung der esports player foundation. Das Team rund um Jörg Adami, ehemaliges Vorstandsmitglied bei der Deutschen Sporthilfe, hat sich als Ziel vor allem Exzellenzförderung auf die Fahne geschrieben. Dabei werden Jugendliche, unabhängig von ihrer finanziellen oder sozialen Situation, unterstützt und mit dem nötigen Know-How versorgt. Gleichzeitig sollen sie lernen, wie sie sich als Vorbild in der heutigen Gesellschaft zu verhalten haben. Mit dem erst kürzlich ausgetragenen Equal Esports Festival machte die Stiftung zudem auf Themen wie Diversität, Gesundheit und digitale Bildung aufmerksam.
Auf ähnliche Weise helfen in Deutschland Nachwuchsleistungszentren oder Bootcamp-Facilities wie beispielsweise die des Gaming- und Esport-Vereins Esport Rhein-Neckar. Diese räumen Vorurteile des pizzaessenden und faulen Jugendlichen aus dem Weg und beugen der anhaltenden Stigmatisierung in der Gesellschaft vor. Angebote, wie Europas erster Esport-Studiengang an der Hochschule für angewandtes Management oder Esport-Vertiefungsmöglichkeiten, wie an der Hochschule Mittweida, ermöglichen zudem einen Bildungsweg spezifisch zugeschnitten auf die digitale Branche.
Mit der Gründung der weltweit ersten Esport-Stiftung und vielseitigen Angeboten zur Weiterbildung trägt Deutschland auch in diesem Bereich weltweit eine tragende und führende Rolle. Talententwicklung im Esport hat jedoch auch in anderen Ländern sehr hohe Priorität.
In Dänemark wird der Esport durch den Premier-Minister höchstpersönlich gefördert und das Land hat einen klaren Fünf-Punkte-Plan für die zukünftige Handhabung entwickelt. Dies beinhaltet unter anderem die Unterstützung junger Talente auf persönlicher und beruflicher Ebene sowie die Umsetzung einer gemeinsamen Vision unter Wahrung ethischer Grundsätze wie Gleichheit und Fairness. Hier hat die deutsche Regierung noch einiges nachzuholen.
Deutschland eine der weltweit führenden Kräfte
Alles in allem macht Deutschland eine überdurchschnittlich gute Figur in der Esport-Branche. Im europäischen Vergleich sind wir in vielerlei Hinsicht Marktführer, global liegen nur einige wenige Länder in der Rangliste davor. Um auch in Zukunft zu den stärksten Kräften zu gehören, gilt es jedoch weiterhin am Ball zu bleiben und an wichtigen Stellschrauben zu arbeiten.
Auch die Politik ist gefragt endlich zu agieren, anstatt nur zuzuschauen, damit die stetige Weiterentwicklung des Millionentrends in Deutschland garantiert werden kann. In dem neuen Koalitionsvertrag von SPD, FPD und den Grünen gibt es hierzu bereits Pläne.
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